Utz Kowalewskis Rede zum Klimanotstand anlässlich der Ratssitzung am 4. Juli 2019

Die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN hat heute beantragt, den Klimanotstand auch für Dortmund auszurufen und sich damit der globalen Bewegung zur Rettung des Klimas auf unserem Planeten anzuschließen.

Meine Damen und Herren, 1972 veröffentlichte der Club of Rome erstmals seine Studie zu den „Grenzen des Wachstums“. Da war ich zwei Jahre alt. Schon damals wies das dort vorgestellte Weltmodell darauf hin, dass unsere Zivilisation innerhalb eines Jahrhunderts zusammenbrechen könnte. Leider bewahrheiten sich die damaligen Ergebnisse in aktualisierter Fassung immer mehr.

Im Mai 2019 haben die australischen Klimaforscher David Spratt und Ian Dunlop eine alarmierende Studie veröffentlicht. Sie beschreiben den Klimawandel als existenzielle Bedrohung der Zivilisation, so wie wir sie kennen. Das Jahr 2050 identifizieren sie als das Jahr, ab dem die Klimaveränderungen so gravierend werden, dass deren Auswirkungen für Jahrhunderte nicht mehr rückgängig zu machen sein werden.

Um dieses Katastrophenszenario noch abwenden zu können fordern sie einen sofortigen Umbau der Weltwirtschaft in Richtung Klimaneutralität.

Der Biologe Paul R. Ehrlich von der Stanford University hat 2017 einen Kollaps der Ökosysteme in 122 untersuchten Ländern auf der Welt innerhalb der nächsten Jahrzehnte aufgrund seiner Forschungen vorhergesagt. Bei Ehrlich geht es nicht nur alleine um die Klimaauswirkungen, sondern auch um viele weitere Auswirkungen des kapitalistischen Wachstums.

Angesichts dieses von der Wissenschaft skizzierten Untergangsszenarios kann man nach Auffassung unserer Fraktion durchaus von einem weltweiten Notstand sprechen, dem man mit entsprechenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auch hier vor Ort begegnen muss. Wir werden daher neben dem Antrag unserer Fraktion DIE LINKE & PIRATEN auch dem Antrag von Bündnis90/Die Grünen folgen. Außerdem werden wir auch die Verwaltungsvorlage als auch dem gemeinsamen Antrag von SPD und CDU zustimmen, auch wenn wir hier nicht in allen Punkten übereinstimmen. Für den heutigen Tag ist es aber wichtiger, ein gemeinsames starkes Signal in die Stadtgesellschaft zu senden, dass wir gewillt sind, uns dem Klimawandel zu stellen und ihn zu bekämpfen.

Wir sollten auch im Bündnis mit den außerparlamentarischen Initiativen tatsächlich einen kräftigen Begriff wählen, um alle Beteiligten aus dem Tiefschlaf zu wecken. Das ist beileibe nicht nur Symbolpolitik, wie SPD und CDU es in ihrem Antrag nennen. Die Bewegung Fridays for Future schlägt den Begriff „Klimanotstand“ vor, den Linke & Piraten und die Grünen übernommen haben, schlicht weil wir uns weltweit tatsächlich vor einer echten Notlage befinden.

Auf der UN-Klimakonferenz in Paris wurde 2015 vereinbart, die globale Erwärmung auf maximal 2°C zu begrenzen und 1,5°C anzustreben. Dies ist eine politische Vereinbarung. Es ist keine (!) Vereinbarung, die sich mit den Erkenntnissen der Klimaforschung deckt.

Das hat auch die Klimakonferenz in Katowice im Dezember 2018 deutlich gemacht, auf der ein Sonderbericht des Weltklimarates IPCC zum 1,5°C Ziel vorgestellt wurde. Daraus geht hervor, dass das 2°C-Ziel hoch gefährlich ist, weil hier bereits erste Kippelemente des Klimas aktiviert werden und dann weitere Kippelemente wie Dominosteine in Bewegung kommen können und ebenfalls fallen. Das Ergebnis wäre eine neue Heißzeit – unter solchen klimatischen Bedingungen haben Menschen auf diesem Planeten noch niemals gelebt.

Und selbst die Einhaltung dieses aus der Sicht der Klimaforschung unzureichendem 2°C-Ziels wird nicht erreicht. Weltweit sind wir auf einem Kurs in Richtung 3°C Erderwärmung. Deutschland erreicht das 2°C-Ziel nach derzeitigem Stand der Erkenntnis ebenfalls nicht. Und auch Dortmund liegt auf dem gleichen Niveau wie der Rest des Landes. Und da unterscheiden wir uns von SPD und CDU – wir betonen nicht eine Vorreiterrolle Dortmunds, wenn wir lediglich im Bundesdurchschnitt liegen und die Klimaziele bisher verfehlen. Greenwashing hilft kein bisschen weiter.

Aber es ist jetzt überhaupt nicht unser Ziel Schelte zu betreiben. Dafür geht es um viel zu viel. Wir als Linke & Piraten wollen, dass sich für die Zukunft etwas verändert und wir endlich die dringenden Maßnahmen angehen, die uns seit vielen Jahren bekannt sind.

Lassen Sie uns über den Ausbau des ÖPNV sprechen,
lassen sie uns über günstigere Tarifsysteme bis hin zum kostenlosen Nahverkehr sprechen,
lassen sie uns über den Ausbau des Radverkehrs und die Rücknahme von Autoverkehr sprechen,
lassen sie uns über stadtökologische Maßnahmen wie dem Pflanzen von mehr Straßenbäumen und Fassadenbegrünungen sprechen,
lassen Sie uns über den Flughafen sprechen,
lassen sie uns über die klimatischen Auswirkungen weiterer Schnellstraßenplanungen auf dem Stadtgebiet wie der OWIIIa sprechen,
lassen sie uns über Massentierhaltung und konventionelle Landwirtschaft auf dem Dortmunder Stadtgebiet sprechen,
lassen sie uns über einen raschen Braunkohleausstieg sprechen und die Rolle die Dortmund als größter kommunaler Aktionär des RWE dabei spielt.
Wir haben sehr viele Möglichkeiten etwas zu tun, –
lassen sie uns die Dinge tatsächlich angehen.

Ähnlich wie der Antrag von SPD und CDU – hier haben wir eine Gemeinsamkeit – möchten wir allerdings die Klimakrise oder den Klimanotstand sozial ausgewogen bekämpfen. Wir als Linke & Piraten nennen das die „Sozial-Ökologische Wende!“ Und diese ist dringend notwendig, sowohl im Umweltbereich, als auch im Sozialen. Ohne soziale Ausgewogenheit wird die Akzeptanz für die notwendigen Maßnahmen nicht vorhanden sein. Wir brauchen aber diese Akzeptanz.

Ich möchte, dass wir selbst im schlimmsten Fall der Fälle unseren Kindern sagen können: „Wir haben alles getan was möglich war. An Dortmund hat es nicht gelegen.“

Solange wir handlungsfähig sind, solange besteht eine Chance, die Folgen der Erderwärmung abzuschwächen und unseren Beitrag zur Rettung unserer Zivilisation zu leisten. Allerdings bin ich nicht allzu optimistisch, denn das setzt Einsichten von der Endlichkeit des Wachstums voraus, die einige wahrscheinlich erst haben werden, wenn es zu spät ist.