Bürgergelderhöhung ab Januar 2024 – Oder: Der unerträgliche Leichtsinn der Habenden

JK

Kaum war die Erhöhung des Bürgergelds um 61 Euro auf 563 Euro ab Januar 2024 im Gespräch bzw. beschlossen, tönte es aus vollen Rohren von Rechts. CDU-Chef Friedrich Merz (Selbstauskunft seines Jahreseinkommens: „rund 1 Millionen Euro“; Selbsteinordnung: „gehobener Mittelstand“) sieht am Horizont die dunkle Wolke der allgemeinen (Lohn-)Arbeitsverweigerung heranziehen, denn die Menschen gingen dann selbstverständlich „nicht zurück in die Beschäftigung, weil sie sich ausrechnen können, dass sie mit staatlichen Transferleistungen am Ende des Jahres mehr herausbekommen, als wenn sie in einer einfachen Beschäftigung arbeiten.“ Sein Kollege Jens Spahn glaubt zu wissen, dass eine vierköpfige Familie im Bürgergeldbezug im Schnitt so viel erhalten würde wie eine Durchschnittsverdiener-Familie. Verwiesen wird auf das Lohnabstandsgebot, das beide gefährdet oder sogar aufgehoben sehen. Woher Spahn seine Zahlen hat, beantwortet er auf Anfrage des ARD-Faktenfinders natürlich nicht. Ob auch Merz das gefragt wurde, wissen wir nicht.

Eine Richtigstellung dieser brandgefährlichen Falschbehauptungen durch belastbare Zahlen ist mittlerweile erfolgt. Singles in Vollzeitbeschäftigung bei Mindestlohn haben monatlich rund 530 Euro mehr zur Verfügung als allein lebende Bürgergeldbezieher*innen. Bei Alleinerziehenden beträgt die Differenz rund 760 Euro, und bei Familien mit 3 Kindern sind es immerhin noch rund 450 Euro.*

Marcel Fratscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und wohl einigermaßen unverdächtig, ein waschechter Sozialist zu sein, stellt nicht nur fest, dass das Lohnabstandsgebot auch mit der Erhöhung des Bürgergelds unverändert eingehalten bleibt: „Trotzdem reichen das Bürgergeld und auch der Mindestlohn nicht, um ein Leben mit angemessener gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen." So ist es!

Wäre es nur die kaum zu überbietende Arroganz, mit der Politiker wie Merz und Spahn die ärmeren und hilfebedürftigen Teile der Bevölkerung verhöhnen, könnte man das mit einem Kopfschütteln vielleicht noch abtun. Beide und auch Leute wie Christian Lindner – und das ist das Leichtsinnige und Brandgefährliche – spielen aber benachteiligte Gruppen auf Kosten des sozialen Zusammenhalts gegeneinander aus und treiben so Wähler*innen in die Arme der AfD.

Gefährlich bleiben solche Politikeraussagen tragischerweise trotz Richtigstellungen in den Medien, denn wer glauben will, dass unsere sozialen Sicherungssysteme durch („gerne“ auch migrantische) „Sozialschmarotzer“ ausgehöhlt werden, interessiert sich bekannterweise einen feuchten Kehricht für harte Fakten und Zahlen.

Es wird Zeit für ein für Politiker verpflichtendes „Hohnabstandsgebot“!

*Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/buergergeld-mindestlohn-100.html