Janine Wissler: „Politik darf nicht länger rechtspopulistischen Parolen hinterherlaufen“

Claudia Behlau

Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende. Und sie ist Fraktionsvorsitzende der Linken im Hessischen Landtag. Doch vor allem hat Janine Wissler (37) eines zu bieten: Sie ist schlagfertig, wortgewandt, charmant, überzeugend. Und sie verabscheut soziale Ungerechtigkeit. Nicht nur aus diesen Gründen rannte der Ehrengast beim Neujahrsempfang der Dortmunder Linken & Piraten bei den Gästen offene Türen ein.

Nach Prof. Christoph Butterwegge (Armutsforscher und Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten) und Gregor Gysi hatte die Dortmunder Ratsfraktion in diesem Jahr eine PolitikerIN zu ihrem Neujahrsempfang eingeladen. Und die kam bei den Gästen im Wichernhaus sehr gut an: „Eine tolle Frau“, war mehrfach bei den Anwesenden zu hören. „Der Star der Linken ohne Starallüren“, nannte sie die FAZ.

„Die Welt ist zutiefst ungerecht. Da muss man etwas tun. Und glücklicherweise haben schon unsere Vorfahren schon viel getan, sonst gäbe es heute viele Errungenschaften nicht“, sagte Janine Wissler.

Und sie schob gleich eine Errungenschaft hinterher: das Frauenwahlrecht, das es genau seit 100 Jahren gibt. „Leider ist das Thema immer noch aktuell“, ergänzte Janine Wissler. Auch 100 Jahre später seien Themen wie Lohnungleichheit oder der Abtreibungsparagraf immer noch aktuell. Umso schlimmer sei es, dass es Parteien gäbe, die gerne wieder das Familienbild der 1950-er Jahre etablieren würden.

Doch das Frauenthema streifte Janine Wissler nur am Rande. Vor allem stellte sie aktuelle soziale Probleme in den Fokus ihrer Äußerungen. Sie kritisierte mit deutlichen Worten die kosmetischen Versuche der SPD, ihre Agenda 2010-Politik aktuell in ein neues Mäntelchen zu packen. „Dank der SPD hat das reiche Deutschland auch heute noch den größten Niedriglohnsektor in Europa. Da sage ich: Herzlichen Glückwunsch“, spottete Janine Wissler, die auch die Hartz IV-Regelung geißelte: „Das nimmt einem doch die letzte Würde.“

Pflegenotstand, Wohnungsnot, Altersarmut, die Bildungs-Frage, der Klimawandel. Aber auch Mindestlohn, Leiharbeit und Minijobs. Es gebe in Deutschland viele zentrale und teilweise unerträgliche Probleme, sagte Janine Wissler. Diese müsse man lösen, das sei wichtiger als eine Videoüberwachung zu installieren. Den Bodenspekulanten müsse – im wahren Wortsinn - der Boden entzogen werden, Wohneigentum müsse gefördert werden. Und fürs Klima müsste endlich die Verkehrswende eingeläutet werden. Statt einer Flächenversiegelung für neue Straßen müsse die Diesel-Subventionierung ebenso entfallen wie das Dienstwagenprivileg. Ein kostenloser, barrierefreier und natürlich gut ausgebauter Nahverkehr sei die einzige dauerhaft funktionierende Alternative zum Auto.

Aber vor allem müsse endlich der „Wettbewerb der Schäbigkeit“ – die Asyldebatte –beendet werden, forderte Janine Wissler. Kein Hartz IV-Bezieher bekomme wegen der Flüchtlinge nur einen Euro weniger. „Und wir haben auch nicht zu wenig bezahlbaren Wohnraum, weil darin geflüchtete Menschen leben. Wir haben zu wenig bezahlbaren Wohnraum, weil dieser nicht ausreichend gebaut wird.“ Da habe einfach die Politik versagt.

Und diese Politik müsse endlich damit aufhören, den rechtspopulistischen Parolen hinterherzulaufen. „Wir müssen was tun. Wir müssen den sozialen Nährboden bekämpfen. Da möchte ich glatt einmal der CSU Recht geben. Deren EU-Abgeordneter Bernd Posselt sagte: ‚Wir dürfen niemals versuchen, das Stinktier zu überstinken.‘‘“

Einen ausführlichen Bericht über den Neujahrsempfang der Linken & Piraten gibt es auch auf dem Nordstadtblogger:

https://www.nordstadtblogger.de/janine-wissler-ueberzeugungstaeterin-im-kampf-fuer-besseren-oepnv-mehr-sozialwohnungen-und-hoeheren-mindestlohn/